Über Thag 2.22 – was bedeutet dieses Gedicht?
Übersetzung der Antwort Bhikkhu Sujatos auf eine Frage zu einem Theragāthā-Gedicht; 2016
Bhante Sujato antwortet auf die Frage eines Benutzers auf dem SuttaCentral-Diskussionsforum.
Du hast ganz recht, Thag 2.22 ist eins der seltsamsten und schwierigsten Gedichte im Theragāthā, oder eigentlich im ganzen Kanon. Hier ist meine Übersetzung [ich gebe meine deutsche Übersetzung, die sich auf Bhante Sujatos englische stützt; beide wurden seit diesem Beitrag aktualisiert, und ich gebe hier die jüngste Fassung wieder; A.d.Ü.]:
Da war ein König mit Namen Panāda, der hatte einen Opferpfahl von reinem Gold. Er war sechzehn mal so hoch wie breit und am oberen Ende tausendfach aufgefächert. Er hatte tausend Tafeln und hundert Kugelkappen, alle mit Wimpeln geschmückt und aus Sonnengold gemacht. Da tanzten die Zentauren, sieben mal sechstausend an der Zahl.
Ich habe daran lange gearbeitet und bin mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden, aber keine Übersetzung kann hier Gewissheit beanspruchen.
Die Grundidee beschäftigt sich mit dem vedischen Opfer. Bei ihren Tieropfern gab es einen Pfahl, an den die Opfertiere angebunden wurden. Das ist der yūpa, der in der zweiten Zeile erwähnt wird. Die Beschreibung soll die üppige Pracht dieses Pfahls verherrlichen als ein Zeichen für König Panādas Ruhm. Der yūpa wurde für das großartigste der vedischen Opfer, das Pferdeopfer, benutzt. Das wird in der Brihadaranyaka als die höchste Quelle der Herrschaftsgewalt und Macht eines Herrschers glorifiziert.
Die frühesten Darstellungen, die zeigen, wie ein yūpa tatsächlich aussah, scheinen sich auf Münzen zu finden. Diese sind allerdings fast tausend Jahre jünger als die Suttas und im Vergleich zu den Veden noch viel jünger und sollten daher mit Vorsicht benutzt werden.



Auf dem letzten Bild kann man ein Bündel von Bändern sehen, das vom oberen Ende des Pfahls flattert. Ich denke, das ist das „tausendfach Aufgefächerte“, auf das sich der Text bezieht. Die „Kugelkappen“ kann man im oberen und unteren Bild deutlich sehen: Sie sind da, wo die Leinen oder Bänder an dem Pfahl befestigt sind. Ich bin nicht ganz sicher, was die „Tafeln“ sind, sie scheinen auf den Bildern nicht dargestellt zu sein. Vielleicht sind es kleine dekorative Elemente, vielleicht Goldplättchen oder Malereien; sie könnten sogar die dekorativen Elemente auf dem Fuß des Pfahls im unteren Bild sein.
In jedem Fall ähnelt die Beschreibung in dem Gedicht erkennbar den Bildern des yūpa und ist der mythischen Dichtung gemäß aufgebauscht.
Man beachte die Anwesenheit der Königin auf den Bildern vom Pferdeopfer, und nicht des Königs. Die Beteiligung der Königin war für den Vollzug des Pferdeopfers erforderlich. Auf dem Höhepunkt der Zeremonie, nachdem der Hengst getötet war, musste sie mit dem toten Pferd „unter die Laken“ gehen. Sie unterhielt einen obszönen und freizügigen Wortwechsel mit dem Oberpriester, während sie die Akte, die sie beschrieb, ausführte – oder vorgab, auszuführen? Nein, wirklich, es ist genau, was Sie denken!
Der Text ist außerordentlich ungewöhnlich insofern, als er keine „buddhistische“ Lektion anbietet. Normalerweise wäre eine solche Strophe gefolgt von der Einsicht, dass solche Opfer nutzlos und schädlich sind, und wie viel besser es ist, den Dhamma zu üben. Sicherlich fehlt etwas an diesem Text, entweder zusätzliche Strophen oder eine Prosa-Hintergrunderzählung (die ursprünglich dem Kommentar geähnelt haben könnte oder auch nicht).


