Dhammaregen-Newsletter Juni 2024
Neues rund um Dhammaregen und frühe buddhistische Texte
Der heutige Newsletter wendet sich einer Figur zu, über deren Biografie wir so viel wissen wie bei wenigen der Zeitgenossen des Buddha. Und durch den wir nebenbei sehr interessante Einblicke in die medizinischen Methoden der Zeit gewinnen.
Jīvaka der Prinzenzögling
Wir begegnen ihm bereits vor seiner Geburt im Vinaya, wo seine Geschichte eine sehr ausführliche Einführung zum Kapitel über Roben darstellt.
Es beginnt damit, dass einige Bürger aus Rājagaha in Vesālī die Vorzüge der Hetäre Ambapālī kennenlernen und zu Hause beim König vorsprechen, um eine solche Einrichtung auch in ihrer Stadt zu schaffen. Die Stelle wird an eine junge Frau namens Sālavatī vergeben. Als diese schwanger wird, bringt sie das Kind heimlich zur Welt und lässt es auf die Müllhalde werfen. Sieht nicht gerade nach einem langen, vielversprechenden Leben aus.
Doch es kommt anders: Das Kind wird von einem Prinzen gefunden und aufgezogen und erhält den Namen Jīvaka, „der Überlebende“, und den Beinamen Komārabhacca, „der Prinzenzögling“.
Als Jīvaka erwachsen wird, beschließt er, eine Ausbildung zu machen, und geht bei einem Arzt in die Lehre. Interessant ist die medizinische Abschlussprüfung: Er soll alle Pflanzen einsammeln, die keine arzneiliche Wirkung haben. Als er mit leerem Korb zurückkommt, hat er bestanden.
Das Vinaya-Kapitel geht nun sehr ins Einzelne in der Beschreibung verschiedener Behandlungen, die Jīvakas Ruf als bester Arzt seiner Zeit begründen, darunter auch eine Operation mit Öffnung des Schädels. Inwiefern die Schilderungen akkurate Beschreibungen damals üblicher medizinischer Prozeduren darstellen, ist schwer zu überprüfen, doch dürfte wohl ein realistischer Kern darin stecken.
Eher amüsant klingt die Geschichte von den Hämorrhoiden des Königs Bimbisāra von Magadha, der sich zu seinen Beschwerden noch den Spott seiner Haremsdamen anhören muss:
Seine Hoheit hat jetzt eine Periode, (seine) Tage bekommt seine Hoheit, in nicht langer Zeit wird seine Hoheit gebären.
Auch hier kann Jīvaka Abhilfe schaffen, und der König ernennt ihn nicht nur zu seinem Leibarzt, sondern legt ihm auch die ärztliche Betreuung des Buddha und seines Ordens ans Herz.
In all den Schilderungen beweist Jīvaka eine hervorragende Menschenkenntnis. Einmal rettet ihm seine richtige Einschätzung der Persönlichkeit seines Patienten sogar das Leben, als er es mit dem jähzornigen König Pajjota zu tun bekommt. Nachdem die unangenehmen Nebenwirkungen der Behandlung, derentwegen er dem Arzt nach dem Leben trachtete, abgeklungen und seine Beschwerden geheilt sind, zeigt dieser sich dann aber auch von seiner großzügigen Seite und schickt Jīvaka ein hochwertiges Paar Roben.
An dieser Stelle kommt dann das Khandhaka schließlich zu dem Punkt, auf den die lange Einführung hinausläuft: die Erlaubnis, dass Mönche und Nonnen von Laien gespendete Roben annehmen dürfen; bis dahin hatten sie lediglich weggeworfene Stoffreste zum Herstellen ihrer Kleidung benutzt.
Dann, nachdem Jīvaka Komārabhacca das Paar Siveyya-Kleidung genommen hatte, ging er zum Erhabenen. Dort, nachdem er den Erhabenen verehrt hatte, setzte er sich beiseite nieder. Beiseite sitzend sagte Jīvaka Komārabhacca dem Erhabenen folgendes:
„Gewähre mir, Verehrungswürdiger Erhabener, eine Bitte.“
„Jenseits vom Gewähren, Jīvaka, sind die Vollendeten.“
„Dies ist, Verehrungswürdiger, Erhabener, etwas Angemessenes, etwas Tadelloses.“
„Sprich, Jīvaka.“
„Der Verehrungswürdige Erhabene und der Mönchssangha sind mit (fortgeworfenen) Lumpen bekleidet. Dies, Verehrungswürdiger, ist ein Paar Siveyya-Kleidung das mir vom König Pajjota geschickt wurde, die höchste, beste, erste, oberste, prächtigste von vielen Kleidungen, vielen Paaren von Kleidungen, vielen hundert Paaren von Kleidungen, vielen tausend Paaren von Kleidungen, vielen einhunderttausend Paaren von Kleidungen. Annehmen möge der Erhabene dies Paar Siveyya-Kleidung und dem Mönchssangha Roben von Hausleuten erlauben.“
Jīvaka als Schüler des Buddha
Jīvaka sieht den Buddha nicht nur, wenn dieser krank ist, sondern wird ein Anhänger, der bei verschiedenen Anlässen von ihm Dhamma-Unterweisungen erhält. Offenbar die erste Dhamma-Begegnung wird in MN 55 berichtet.
Jīvakas Ziehvater, der Prinz Abhaya, war ein Anhänger der Jainas, sodass dies die Konfession ist, mit der Jīvaka aufwuchs. Die Jainas werfen den buddhistischen Mönchen und Nonnen immer wieder vor, Fleisch von Tieren zu essen, die eigens für sie geschlachtet wurden, und das ist denn auch das Thema, über das Jīvaka hier mit dem Buddha spricht. Der Buddha kann Jīvaka überzeugen, dass an seinem Umgang mit dem Fleischessen nichts zu beanstanden ist.
Lesen und hören Sie MN 55.
Der Buddha preist Jīvaka in AN 1.256 als den Laienschüler mit der stärksten Zuversicht. Das ist interessant, da es normalerweise zur Rolle des Arztes gehört, anderen Zuversicht einzuflößen. Ein gewisses Maß an Zuversicht und Vertrauen zum Arzt ist einer medizinischen Behandlung gewöhnlich förderlich. Aber auch der Buddha vergleicht sich ja mit einem Arzt, der die Krankheiten des Geistes heilt; somit erweist sich Jīvaka nicht nur als guter Arzt, sondern auch als guter Patient.
Jīvaka besitzt auch ein Grundstück, das vom Orden des Buddha als Kloster genutzt wird und Schauplatz etlicher Suttas ist. So spielt etwa DN 2, in dem die stufenweise Schulung beschrieben wird, in seinem Mangowäldchen. Hier hat Jīvaka selbst die Rolle eines Beraters des Königs Ajātasattu von Magadha, der der Sohn und Nachfolger König Bimbisāras ist. Jīvaka vermittelt hier eine Begegnung des Königs mit dem Buddha.
Damit tut er etwas, was in dem sehr schönen Sutta AN 8.26 als Handlung eines Laienschülers beschrieben wird, der sowohl zum eigenen Nutzen als auch zum Nutzen anderer übt:
Er sieht gerne die Mönche und Nonnen und ermuntert andere, das Gleiche zu tun.
In AN 6.120-139 wird Jīvaka zusammen mit anderen Laienschülern als jemand genannt, der sechs gute Eigenschaften verwirklicht hat, nämlich:
Auf Erfahrung gegründete Zuversicht zum Buddha, zur Lehre und zum Saṅgha und edle Sittlichkeit, edles Wissen und edle Freiheit.
Da [jeder der genannten Laienschüler] diese sechs Eigenschaften besitzt, ist er sich über den Klargewordenen sicher, sieht die Unsterblichkeit und lebt, indem er die Unsterblichkeit verwirklicht hat.
Das heißt, diese Leute sind mindestens in den Strom eingetreten, und von vielen hören wir an anderen Stellen, dass sie auch noch höhere Verwirklichung erreicht hatten.
Der Buddha als Arzt
Dieser Newsletter schließt mit einem Zitat aus dem Theragāthā des Ehrwürdigen Adhimutta, in dem dieser den Buddha mit einem Arzt vergleicht:
„Er, der alles erkennt und alles sieht: Der Sieger ist mein Lehrer. Er ist ein Lehrer von großem Mitgefühl, Heiler der ganzen Welt. Er lehrte diesen Dhamma, der zur Auflösung führt, zum Unübertrefflichen. Wenn ihr seiner Anleitung folgt, könnt ihr den kummerfreien Zustand erlangen.“
So wollen wir denn die Medizin des Dhamma einnehmen, wie sie verordnet ist! ❤️
Neu auf Dhammaregen
Seit dem letzten Newsletter wurden folgende Suttas hinzugefügt:
MN 55-57, MN 63-65
Übersicht über alle Übersetzungen
Sutta-Erkundungen
Die Sutta-Erkundungen sind ein monatliches Online-Format zum Studium der Suttas in einer Gruppe, das sich an die lectio divina aus der alten christlichen Klostertradition anlehnt. Das ermöglicht ein eher meditatives Herangehen an die Suttas. Die Sutta-Erkundungen finden jeden ersten Freitag im Monat statt.
Nächste Termine: 7. Juni, 5. Juli und 2. August 2024, jeweils 18:30 – 20:00 h MESZ.
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