Dhammaregen-Newsletter November 2024
Neues rund um Dhammaregen und frühe buddhistische Texte
Der heutige Newsletter übt sich im Spurenlesen und greift auch die Spur einer großen deutschen Nonne auf, die wenig bekannt war.
Große Füße, die Spuren hinterlassen
In der Sammlung der Mittleren Lehrreden gibt es zwei Suttas, die von den großen Fußspuren der Elefanten handeln. Allerdings wenden beide dieses Gleichnis in ganz verschiedener Weise an.
In MN 27 geht es darum, dass man an den Spuren die Eigenschaften des Lebewesens erkennen kann, das sie hinterlassen hat. Doch der Buddha warnt vor voreiligen Schlüssen: Erst wenn man wirklich alle Beweise gesehen hat, kann man sicher sein, dass die erste Vermutung richtig war.
„Brahmane, das Gleichnis von der Elefanten-Fußspur ist noch nicht im Einzelnen vollständig. Wie es im Einzelnen vollständig ist, dafür hör zu und gebrauche den Geist gut, ich werde sprechen.“
Aber natürlich ist es die erste Vermutung, die einen überhaupt erst weiter in diesen „Elefantenwald“ hineinführt, mit dem die Buddhalehre hier verglichen wird.
Als Entsprechungen zu den verschiedenen Spuren, die Elefanten hinterlassen, nennt der Buddha hier die aufeinanderfolgenden Stufen des Weges zum Erwachen. Dieses Sutta ist ein Beispiel dafür, dass die stufenweise Schulung, obwohl sie als Übung für Mönche und Nonnen erklärt ist, doch häufig auch Laien dargelegt wird.
Der Protagonist der Lehrrede, der Brahmane Jānussoṇi, nimmt am Ende Zuflucht zum Buddha, zur Lehre und zum Saṅgha der Mönche und Nonnen und erklärt sich zum Laienschüler für den Rest seines Lebens. Interessanterweise ist das nicht das einzige Mal, dass er das tut. Jānussoṇi tritt in zahlreichen Suttas auf, die alle auf die gleiche Art enden. Gewöhnlich wissen die Texte, wenn jemand bereits Zuflucht genommen hat. Hier aber scheint es so zu sein, dass entweder Jānussoṇi oder die Textbearbeiter es jedes Mal wieder vergessen; so könnte man meinen.
Oder bei dem Brahmanen Jānussoṇi handelt es sich gar nicht um eine individuelle Person, sondern um eine Art Prototypen für einen Brahmanen, eine Art Archetyp. Er verkörpert in diesem Fall den Brahmanen, der zwar in seinem häuslichen Umfeld regelmäßig bestimmte Rituale ausführt, aber ansonsten nicht durch besondere Gelehrsamkeit oder das Zelebrieren großer Opferzeremonien für Auftraggeber heraussticht, sondern wohl einem anderen Lebensunterhalt nachgeht – wie die Mehrzahl der Brahmanen im Umfeld des Buddha.
Während MN 27 also, neben diesen Merkmalen, auf die ich gerade hingewiesen habe, das Vertrauen zum Buddha und seiner Lehre zum Thema hat, geht es in der anschließenden Lehrrede, MN 28, um die analytische Seite der Lehre.
Kein Wunder also, dass dieses Sutta den Mönchen und Nonnen vom Ehrwürdigen Sāriputta vorgetragen wird, denn er ist schließlich der brillante Analytiker, dem auch die Ursprünge des Abhidhamma, dieser Systematisierung der Lehre, zugeschrieben werden. Und er interpretiert das Gleichnis von der Elefanten-Fußspur so:
„Die Fußspuren aller Lebewesen, die laufen, passen in die Fußspur eines Elefanten hinein. Daher gilt die Fußspur des Elefanten als die größte von allen. Ebenso sind alle tauglichen Eigenschaften in den vier edlen Wahrheiten einbegriffen. In welchen vier? In der edlen Wahrheit vom Leiden, von der Ursache des Leidens, vom Aufhören des Leidens und von der Übung, die zum Aufhören des Leidens führt. …“
Was folgt, ist, ausgehend von den vier edlen Wahrheiten, eine ausführliche Analyse der Aggregate, der Elemente und der Sinnesfelder, die alle miteinander verflochten sind.
So dient also die Elefanten-Fußspur als Gleichnis sowohl für das Vertrauen zum Buddha, die emotionale Seite, mit der man sich der Lehre öffnen kann, als auch für die detaillierte Analyse, die die intellektuelle Seite darstellt. Wenn beide Seiten zusammenkommen, kann man die Lehre tatsächlich erfassen.
Würdigung eines Lebens im Geist des Dhamma
Sie war eher eine Stille, die nicht viel im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand, aber dennoch viel bewirkte: Samaneri Akincana, oder, bekannter vielleicht, Friedgard Lottermoser. Ich hatte einmal die Gelegenheit, ihr persönlich zu begegnen, und durfte sie als bescheidenen und gastfreundlichen Menschen kennenlernen. Nun habe ich erfahren, dass sie gestorben ist.
Joah McGee, ein Freund von ihr, der die Verbundenheit mit ihrer spirituellen Heimat Myanmar teilt, schrieb zu ihrer Würdigung:
Friedgard Lottermoser starb am 8. August 2024 in Deutschland an einem aggressiven Krebsleiden unbekannter Herkunft. Sie hatte ein Leben geführt, das westliche und östliche spirituelle Traditionen miteinander verband. Ihr Weg war geprägt von tiefgreifender persönlicher Transformation und Beiträgen zur weltweiten Verbreitung der Vipassana-Meditation. Unter der Anleitung von Sayagyi U Ba Khin, einem der verehrtesten Meditationsmeister Burmas, wurde sie zu einem Zeugnis für die Kraft der Achtsamkeit.
…
Wenn ein Hollywood-Drehbuchautor ein Skript auf der Grundlage der Biografie von Friedgard Lottermoser schreiben würde, würde es wahrscheinlich als zu fantasievoll abgelehnt werden. Ihr Leben war einzigartig, weil es so viele verschiedene Elemente miteinander verband: die modernen Ursprünge und die frühe weltweite Verbreitung der Vipassana-Meditation, den fortwährenden Kampf für Freiheit, um über Tyrannei und Unterdrückung zu siegen, und die Anerkennung der Rechte der Frauen in allen Bereichen. Ihre Geschichte ist ein Zeugnis für den außergewöhnlichen Einfluss, den eine entschlossene Person auf die Welt haben kann, indem sie sich über die Grenzen von Geschichte, Kultur, Geschlecht und Spiritualität hinwegsetzt.

Lesen Sie den ganzen Text auf Buddhismus Aktuell.
Die sich selbst gezähmt haben sind besser
als die erlesensten zahmen Maultiere,
besser als Vollblüter aus Sindh
oder gewaltige Elefanten.Denn auf diesen Reittieren
kannst du nicht zu dem unbetretenen Ort kommen,
doch mithilfe von einem, dessen Selbst gut gezähmt ist,
kommst du dorthin, gezähmt vom Gezähmten.
Dhp 322-323
Damit sind wir also wieder bei den Elefanten, denen im Dhammapada ein ganzes Kapitel gewidmet ist.
Neues auf Dhammaregen
Seit dem letzten Newsletter wurden zahlreiche Bearbeitungen an bestehenden Sutta-Übersetzungen durchgeführt.
Übersicht über alle Übersetzungen
Sutta-Erkundungen
Die Sutta-Erkundungen sind ein monatliches Online-Format zum Studium der Suttas in einer Gruppe, das sich an die lectio divina aus der alten christlichen Klostertradition anlehnt. Das ermöglicht ein eher meditatives Herangehen an die Suttas. Die Sutta-Erkundungen finden jeden ersten Freitag im Monat statt.
Nächste Termine: 1. November und 6. Dezember 2024 sowie 3. Januar 2025 jeweils 18:30 – 20:00 h MEZ.
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