Abhängiges Entstehen
Übersetzung von „Dependent Origination“ von Bhikkhu Brahmāli, 2012
Dieses Werk wurde in deutscher Sprache erstmals 2014 vom Verlag Beyerlein & Steinschulte unter Mithilfe von Horst Neugebauer als Lektor publiziert.
Der Essay ist ein bearbeiteter Mitschnitt eines Vortrags, der am 17. April 2009 bei der Buddhistischen Gesellschaft Westaustraliens gehalten wurde. Zum Originaltext (PDF zum Herunterladen, 186 kB).
In dieser Ausgabe wurde der Text für die Darstellung im Internet leicht überarbeitet. Außerdem werden Sutta-Referenzen in Bhikkhu Bodhis Vorwort statt mit Band- und Seitenzahl der PTS-Ausgabe mit der Nikāya- und Suttanummer angegeben (z. B. MN 26 statt MN I 167).
Abkürzungen:
AN Aṅguttara-Nikāya
DN Dīgha-Nikāya
MN Majjhima-Nikāya
SN Saṁyutta-Nikāya
Vorwort von Bhikkhu Bodhi
Abhängiges Entstehen wird oft als die zentrale Säule der Buddhalehre bezeichnet, und die Nikāyas selbst zeigen, wie der Buddha das Abhängige Entstehen als einen der zwei Aspekte des „tiefgründigen Dhamma“ einordnet, die er bei seiner Erleuchtung erkannte, wobei der andere Aspekt Nibbāna ist (siehe MN 26). Wegen seiner entscheidenden Bedeutung widmeten die Ersteller der ursprünglichen Texte dieser Lehre ein ganzes Kapitel im Saṁyutta-Nikāya. Außerdem erklärt der Buddha im Mahānidāna-Suttanta des Dīgha-Nikāya (Nr. 15), dass die Wesen durch die Abfolgen von Geburt und Tod, die man Saṁsāra nennt, umherwandern, weil sie das Abhängige Entstehen nicht ergründet haben (siehe DN 15). Von daher können wir sehen, dass das Verständnis des Abhängigen Entstehens der Schlüssel zur befreienden Weisheit ist.
Trotz der Wichtigkeit dieser Lehre sind jedoch widerstreitende Ansichten darüber aufgekommen, wie sie zu deuten ist, und in moderner Zeit haben sich diese vervielfältigt. Die Lösung dieser Frage ist nicht unwesentlich, denn wenn das Verständnis des Abhängigen Entstehens verzerrt ist, wird das Verständnis des Dhamma selbst verfälscht. Der sicherste Weg, Abhängiges Entstehen im Sinne des Buddha zu deuten, besteht darin, zu den frühen Lehrreden zurückzukehren und sie genau zu untersuchen, zu versuchen, die Bedeutung, die sie übermitteln wollen, herauszufinden, anstatt willkürlich Aussagen herauszusuchen, die die eigene vorgefasste Meinung bestätigen.
In diesem kleinen aus einem Dhamma-Vortrag entstandenen Essay gibt Ajahn Brahmāli eine knappe Erläuterung des Abhängigen Entstehens, die in meinen Augen das zentrale Prinzip herausarbeitet und gleichzeitig der ursprünglichen Absicht treu bleibt. Ein wichtiger Punkt, auf den Ajahn Brahmāli sowohl explizit als auch durch die Art seiner Darlegung hinweist, ist die innige Verbindung des Abhängigen Entstehens mit der Lehre von der Wiedergeburt. Es ist heutzutage in Mode gekommen, das Abhängige Entstehen schlicht als eine Bestätigung der wechselseitigen Abhängigkeit und Verbundenheit aller Ereignisse zu betrachten und es als Vorläufer der wissenschaftlichen Methode zu feiern. Aber wenn das Abhängige Entstehen auch sehr wohl auf wechselseitige Abhängigkeit und ein Bild von universeller Verbundenheit hinweisen kann, ist das nicht sein Hauptanliegen. Das Hauptanliegen, wie es sich in den ältesten buddhistischen Texten darstellt, ist, das ursächliche Entstehen des Leidens aufzuzeigen, das gerade durch unser Gefesselt-sein an die Wiedergeburt aufrechterhalten wird. Und indem es die Bedingungen enthüllt, die uns an das wiederholte Geboren-werden binden, deutet das Abhängige Entstehen auch darauf hin, was nötig ist, um Befreiung zu erlangen.
Dies, so zeigt Ajahn Brahmāli in seiner Darstellung über die „zentrale Antriebskraft“ des Abhängigen Entstehens, ist das Durchbrechen der Verbindung zwischen Gefühlen und Verlangen, was durch die Beseitigung der Unwissenheit oder Täuschung erreicht wird. Die Täuschung muss wiederum beseitigt werden, indem der Edle Achtfache Pfad entwickelt wird, auch darauf weist Ajahn Brahmāli hin. Seine Erläuterung zeigt dabei den Zusammenhang und inneren Einklang dreier grundlegender buddhistischer Lehren: des Abhängigen Entstehens, der Vier Edlen Wahrheiten und des Achtfachen Pfades.
Abhängiges Entstehen
Wenn man das Wort des Buddha liest und ein Gefühl dafür bekommt, was er lehrte, wird man immer wieder der Lehre vom Abhängigen Entstehen (paṭicca samuppāda) begegnen. Es wird schnell offensichtlich, dass diese Lehre ein wichtiger Teil dessen ist, wie der Buddha die Dinge erklärte. Gleichzeitig ist das Abhängige Entstehen eine schwer zu verstehende Lehre. Dieser Essay ist daher ein Versuch, die wichtigsten Aspekte des Abhängigen Entstehens so herauszuarbeiten, dass es leichter verständlich wird.
Zunächst will ich sehr kurz alle zwölf Faktoren des Abhängigen Entstehens durchgehen, um einen Überblick zu geben, worum es geht. Dann will ich einige der Faktoren herausgreifen und nur diese im Einzelnen erläutern. Ich werde auch versuchen aufzuzeigen, wie sich das Abhängige Entstehen in die übrigen Lehren des Buddha einfügt. Wenn wir verstehen, wie das Abhängige Entstehen in die Gesamtlehre hineinpasst, bekommen wir ein besseres Verständnis dafür, warum diese Lehre wichtig ist und wie sie als Teil der Entwicklung des buddhistischen Weges genutzt werden kann. Aber zuerst werde ich jeden der zwölf Faktoren kurz durchgehen und so einen Rahmen für die nachfolgende Diskussion abstecken.
Den ersten der zwölf Faktoren kennt man gewöhnlich als Unwissenheit (avijjā). Unwissenheit bezieht sich auf eine Verzerrung unseres Verstehens, ein Nichterkennen der Wirklichkeit, wie sie tatsächlich ist, und sie betrifft alle Wesen mit Ausnahme von vollkommen Erwachten. Aufgrund der Unwissenheit betreiben wir Handlungen, die künftige kammische Resultate haben. Diese Aktivitäten (saṇkhāra) sind der zweite Faktor des Abhängigen Entstehens. Das wichtigste Ergebnis der Produktion von Kamma ist künftige Wiedergeburt, das Aufkommen von Bewusstsein zu Beginn eines bestimmten Lebens. Bewusstsein (viññāṇa) ist also der dritte Faktor. Bewusstsein tritt immer zusammen mit den anderen Geistesfaktoren – Gefühl, Wahrnehmung und Willen – auf, und gewöhnlich auch mit einem materiellen Körper. Das wird dann der vierte Faktor (nāmarūpa). Wenn wir Geist und Körper haben, haben wir auch den fünften Faktor, die sechs Sinne (saḷāyatana). Alle Erfahrung geschieht durch die sechs Sinne, und die Sinne ermöglichen uns so einen „Kontakt“ zur Welt. Kontakt (phassa) ist daher der sechste Faktor. Vielleicht das Grundlegendste, was wir mit den Sinnen erfahren, ist Gefühl (vedanā). Dies wird der siebte Faktor des Abhängigen Entstehens. Unsere Erfahrungen sind gewöhnlich entweder angenehm oder unangenehm, und natürlich wollen wir, dass die angenehmen Gefühle andauern und die unangenehmen verschwinden. Wir haben ein Verlangen, sowohl hinsichtlich des Angenehmen als auch des Unangenehmen. So ergibt sich Verlangen oder Begehren (taṇhā), der achte Faktor, ganz natürlich aus dem Gefühl. Begehren seinerseits führt zu Aufgreifen, Ergreifen oder Anklammern. Unsere Begierden lassen uns „Strategien“ entwickeln, mit dem Ziel, diese Wünsche zu erfüllen. Das ist der neunte Faktor (upādāna). Sobald wir Dinge ergreifen, sobald wir bestimmte Strategien zur Befriedigung unserer Begierden wählen, beginnt unser Leben eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Und weil wir auf eine bestimmte Art leben, produzieren wir Kamma gemäß dieser Lebensweise. Das ist der zehnte Faktor, bekannt als Existenz (bhava). Wenn wir auf eine bestimmte Art leben und das entsprechende Kamma produzieren, folgt Wiedergeburt (jāti) als elfter Faktor. Durch Wiedergeburt erfahren wir, was alle Wesen erfahren müssen – wir erfahren Alter, wir erfahren Tod, und wir erfahren alles Leiden, das mit dem Dasein verknüpft ist. Alter (jarā), Tod (maraṇa) und Leiden (dukkha), oder kurz, Leiden, ist der zwölfte und letzte Faktor des Abhängigen Entstehens.
Eins der Dinge, die wir an dieser Reihe von zwölf Faktoren unbedingt verstehen müssen, ist, dass jeder Faktor auf dem vorherigen aufbaut und für seine Existenz vom vorherigen abhängt. Eben weil die einzelnen Glieder einander so bedingen, heißt diese Reihe ja Abhängiges Entstehen. Nehmen wir die letzten zwei Faktoren. Um Alter, Tod und Leiden zu erfahren, muss man zuerst geboren sein. Geburt ist eine notwendige Bedingung, damit wir im Leben Leiden erfahren; wären wir nicht geboren worden, würden wir nicht leiden. Ebenso ist jedes der zwölf Glieder, beginnend mit Unwissenheit bis hin zu Leiden, notwendig, damit das folgende existieren kann. Das ist ein entscheidender Aspekt des Abhängigen Entstehens, und sobald wir das verstehen, wird die ganze Sache viel klarer.
Der nächste sehr hilfreiche Punkt wäre, ein gutes Verständnis der beiden Endpunkte der Reihe zu erwerben. Die Bedeutung des letzten Gliedes ist, dass es uns das Ergebnis des Abhängigen Entstehens zeigt. Jedes andere Glied ist nur eine Bedingung, die zu dem letzten hinführt; der letzte Faktor ist das, worauf alle anderen hinweisen. Der Zweck dieser Lehre liegt also darin, uns zu zeigen, warum wir leiden, uns die Gründe für das Entstehen von Leiden aufzuzeigen. Das macht diese Lehre wiederum sehr praktisch, denn wenn wir verstehen, warum Leiden aufkommt, haben wir auch die Chance, etwas dagegen zu tun; wenn wir die ursächliche Beziehung verstehen, können wir diese Ursachen beeinflussen. Dies ermöglicht uns, sowohl das Leiden in unserem Leben zu verringern als auch letztlich das Leiden völlig zu überwinden. Da wir gesehen haben, dass Wiedergeburt die unmittelbare Ursache des Leidens ist, besteht der einzige Weg, das Leiden zu besiegen, darin, die Wiedergeburten zu beenden.
Ein interessanter Punkt ist hier, dass die letzten beiden Faktoren des Abhängigen Entstehens Geburt und Leiden sind, oder Geburt, Alter und Tod. Nimmt man Geburt und Tod zusammen, und führt man sie durch den Mechanismus des Abhängigen Entstehens weiter fort, so ist das nichts anderes als Saṁsāra. Saṁsāra ist das immerwährende Weiterwandern, ein ums andere Mal, von einem Leben zum andern, von Geburt zu Tod, wieder und wieder. Die letzten beiden Faktoren des Abhängigen Entstehens sind also im Wesentlichen gleichbedeutend mit Saṁsāra. Wenn wir das Abhängige Entstehen auf diese Art betrachten, zeigt uns das, wie Saṁsāra zustande kommt, wie es kommt, dass es so etwas wie Saṁsāra gibt. Zum Thema Saṁsāra hier noch eine kleine Bemerkung zur Vorsicht: Stellt es Euch bitte nicht vor als die Welt oder das Universum „da draußen“, etwas, das von uns verschieden ist. Saṁsāra ist vielmehr, wie wir als Menschen die Welt erfahren, unsere innere Sichtweise, was in unserem Geist vor sich geht. Weil es eine persönliche Erfahrung ist, wird Saṁsāra zwangsläufig für jeden von uns ein wenig anders sein. Aber der rote Faden ist, dass wir eine scheinbar endlose Folge von Geburt und Tod erleben, Leiden ohne erkennbaren Anfang oder erkennbares Ende. Somit zeigt uns das Abhängige Entstehen, wie Saṁsāra entsteht und wie Leiden entsteht, die beide im Kern das Gleiche sind. Und nochmal: Wenn wir wissen, wie Leiden entsteht, haben wir die Möglichkeit, etwas dagegen zu tun.
Um wirklich zu verstehen, was wir gegen das Problem des Leidens tun können, müssen wir zum anderen Ende des Abhängigen Entstehens gehen, seinem Ausgangspunkt, der Unwissenheit. Sobald wir die Natur des Ausgangspunktes verstehen, verstehen wir die grundlegende Ursache des Abhängigen Entstehens, das heißt, was es antreibt. Wenn wir diesen Ausgangspunkt ausräumen könnten, würde sich das Abhängige Entstehen auflösen, denn jeder Faktor hängt ursächlich vom vorherigen ab. Das bedeutet, wenn wir Unwissenheit beseitigen, wird ebenso jeder folgende Faktor beseitigt, bis hin zur Beseitigung des Leidens. Auch wenn wir die Unwissenheit noch nicht völlig ausräumen können, so können wir sie doch verringern oder abschwächen. Dann schwächen wir auch das Leiden ab, denn diese Abschwächung der Unwissenheit wird über die ganze Kette hinweg übertragen. Auf diese Weise können wir die Bedingtheit des Abhängigen Entstehens zu unserem eigenen Wohl nutzen.
Um die Unwissenheit verringern und schließlich beseitigen zu können, müssen wir uns zuerst darüber im klaren sein, worauf sie sich bezieht. Das Pāliwort, das gewöhnlich mit Unwissenheit wiedergegeben wird, heißt avijjā, was vielleicht besser als Täuschung übersetzt werden sollte. Das Problem besteht nicht so sehr darin, dass uns Wissen fehlt, wie das Wort Unwissenheit nahelegt, sondern dass wir eine falsche Vorstellung davon haben, wie die Dinge tatsächlich funktionieren. Wegen unserer grundlegend verblendeten oder falschen Anschauung sehen wir die Dinge nicht so, wie sie wirklich sind. Diese verzerrte Anschauung ist nichts anderes als unsere Unfähigkeit, die drei Merkmale der Existenz zu sehen: unsere Neigung, Dinge als beständig anzusehen, wenn sie in Wirklichkeit unbeständig sind, Glück zu sehen, wo in Wirklichkeit Leiden ist, und in Dingen ein Selbst zu sehen, in denen in Wirklichkeit keins ist. Das ist die grundlegende Täuschung, mit der wir leben, und diese falsche Wahrnehmung ist an der Wurzel dieser ganzen Kette des Abhängigen Entstehens.
Die gute Nachricht ist, dass Unwissenheit/Täuschung selbst durch andere Faktoren bedingt ist; sie ist keine starre Einheit, die unabhängig von allem anderen existiert. Indem wir die Bedingtheit der Täuschung verstehen, können wir sie abschwächen. Wenn wir die Bedingungen verstehen, die die Täuschung aufrechterhalten, verstehen wir auch, welche Praxis wir üben müssen, um sie zu verringern und schließlich ganz aufzuheben. Welches sind also die Bedingungen, die die Täuschung stützen und aufrecht erhalten? Sie sind nichts anderes als die fünf Hindernisse: sinnliches Verlangen, Böswilligkeit, Stumpfsinn und Trägheit, Unruhe und Sorge sowie Zweifel. Das bedeutet, je stärker diese fünf Hindernisse sind, umso stärker werden wir uns täuschen.
Warum ist das so? Weil die Hindernisse selbst die Art und Weise verzerren, in der wir die Dinge sehen. Betrachten wir, was geschieht, wenn wir wütend sind: Wir neigen dazu, Dinge zu tun, die wir andernfalls nicht täten. Unter dem Einfluss der Wut denken wir, wir müssten jemanden beschimpfen oder ihm etwas Gemeines antun. Während wir wütend sind, scheint das das Richtige zu sein: Wir denken, dass diese Person es verdient, dass sie beschimpft oder rüde behandelt werden muss. So begehen wir manchmal schließlich eine Dummheit. Aber sobald die Wut vorbei ist, erkennen wir, dass wir einen Fehler gemacht haben: Wir hätten nicht so grob zu dieser Person sein sollen, wir hätten verständnisvoller sein sollen, wir hätten versuchen sollen, ihre Beweggründe zu verstehen. Wir empfinden Reue und Schuldgefühle. Die Sache ist die, dass unsere Wut unsere Anschauung verfälscht, so dass wir Dinge tun, die wir andernfalls nicht täten. So können wir erkennen, wie Wut sich mit Täuschung verknüpft, indem sie unser Bild von der Welt verzerrt.
Sinnliches Verlangen hat eine ähnliche verzerrende Wirkung. Warum, zum Beispiel, haben Menschen außereheliche Beziehungen? Oft geschieht es einfach, weil Verlangen den Geist überwältigt. Man weiß gar nicht recht, was man tut, und deshalb bereut man es hinterher oft bitterlich. Man erkennt, wieviel Schmerz man dem Partner zugefügt hat, und oft bezahlt man dafür, indem die Ehe zerbricht, man das Haus verkaufen muss oder seine Kinder nicht mehr sehen kann. Aber zu dem Zeitpunkt schien die Affäre das Richtige zu sein. Unsere Sichtweise war von unseren Begierden verzerrt. Manchmal kann man das gleiche Muster bei einer einfachen Handlung wie dem Einkaufen sehen. Man sieht vielleicht in einem Laden etwas unwiderstehlich Anziehendes, und es kommt ein Verlangen auf, das so mächtig ist, dass man es einfach kaufen muss. Später, wenn der Einfluss des Verlangens nachlässt, erkennt man, dass es ein Fehler war, da man den Artikel tatsächlich gar nicht braucht.
So verzerren die fünf Hindernisse, insbesondere Wut und Verlangen, unsere Sicht der Welt. Je stärker die fünf Hindernisse sind, umso größer ist unsere Täuschung und umso verzerrter unsere Anschauung. Je weniger wir von diesen fünf Hindernissen haben, umso geringer ist die Verzerrung und umso klarer unsere Sicht der Welt. Und weil das Abhängige Entstehen eine Kausalkette ist, beeinflusst die Wirkung der fünf Hindernisse die ganze Kette bis hin zum Leiden. Je schwächer also die Hindernisse sind, umso weniger Leiden erfahren wir, und je stärker die Hindernisse sind, umso größer ist das Leiden. Daraus folgt: Wenn wir Unwissenheit und Leiden in unserem Leben verringern wollen, müssen wir die fünf Hindernisse, das heißt, die Trübungen des Geistes, abschwächen.
Wie schwächen wir die Trübungen des Geistes ab? Durch nichts anderes als die Praxis des Edlen Achtfachen Pfades. Wir beginnen unseren Weg entlang dieses Pfades, indem wir Tugend üben. Aufgrund dieser Praxis gibt es bestimmte Handlungen, die wir nicht tun sollen, und weil wir sie nicht tun sollen, halten wir uns zurück, schränken die Hindernisse ein, vermindern die Trübungen. Mit der Zeit schwächt diese Zurückhaltung die Trübungen. Wir wissen, dass das so ist, wenn wir sehen, dass das Einhalten der Regeln mit der Zeit leichter wird, bis es uns praktisch zur zweiten Natur geworden ist. Meditation – die Entwicklung von liebender Güte, Frieden und ähnlicher wunderbarer Geisteszustände – hat die gleiche Wirkung, weil wir den Hindernissen entgegen handeln, sie Schritt für Schritt aufheben. So gesehen ist der Achtfache Pfad nichts Geringeres als eine Methode zur Beseitigung der Hindernisse. Dies wiederum verringert die Täuschung und somit das Leiden. Auf diese Art können wir sehen, wie der Edle Achtfache Pfad und das Abhängige Entstehen wunderbar zusammenpassen und einen wichtigen Teil des Gesamtbildes formen, das wir Dhamma nennen.
Tatsächlich kann es nützlich sein, den Dhamma als ein großes Puzzlespiel zu betrachten, bei dem jeder Aspekt der Lehre ein kleines Teilchen ist. Nur wenn wir alle Teile zusammensetzen, wenn wir verstehen, wie sie zusammengehören, können wir das ganze Bild sehen. Mit anderen Worten, obwohl die Lehren des Buddha aus all diesen einzelnen kleinen Stückchen bestehen – den fünf Fähigkeiten, den fünf Aggregaten, den vier Jhānas usw., – sind sie doch auch ein Ganzes. Je besser wir die Lehren des Buddha verstehen, umso besser verstehen wir, wie dieses Puzzle zusammengehört. Im vorliegenden Fall zeige ich nur eine bestimmte Art auf, wie der Edle Achtfache Pfad mit dem Abhängigen Entstehen zusammenpasst.
Der Edle Achtfache Pfad verringert also Stück für Stück unsere Täuschung und somit unser Leiden. Wenn wir diesen Pfad weiter üben, werden wir das Leiden schließlich völlig beseitigen. Wie kommt es, dass das Abbauen der Hindernisse zur vollständigen Aufhebung der Täuschung und des Leidens führt? Indem wir den Pfad Schritt für Schritt entwickeln, werden allmählich die fünf Hindernisse abgeschwächt, und irgendwann kommt der Tag, an dem sie zeitweise völlig abwesend sind und der Geist rein und strahlend ist. Weil die fünf Hindernisse die Hauptgrundlage der Täuschung bilden, hat die Täuschung keine Stütze mehr, sobald die Hindernisse einmal vollständig abwesend sind. Da die Täuschung keine Unterstützung mehr hat, wird sie an dieser Stelle schwach, und es ist dann möglich, sie ganz auszuräumen. Das ist der Grund dafür, dass die tiefen Meditationszustände, in denen die fünf Hindernisse völlig aufgehoben sind, eine so starke Grundlage zum Erlangen tiefer Einsichten darstellen und somit zum Verständnis der Dinge, wie sie wirklich sind, d. h. zur Beseitigung der Täuschung. Und das zeigt uns auch, weshalb tiefe Meditation der letzte Faktor des Edlen Achtfachen Pfades ist: Erst an diesem Punkt ist es schließlich möglich, den Durchbruch zu erzielen, mit dem man die Lehre des Buddha selbst sehen kann. Solange die Hindernisse die Täuschung aufrechterhalten, ist ein solcher Durchbruch nicht möglich. Aber wenn die Stützen der Täuschung beseitigt sind – vorausgesetzt, wir besitzen bereits eine rechte Anschauung durch richtiges Verständnis der Buddhalehre, – kann der Geist zur Wahrheit, dem Dhamma, durchdringen und damit die Täuschung auflösen. Wenn die Täuschung aufgelöst ist, ist auch das Leiden aufgelöst, da beide voneinander abhängen.1 So ist die Täuschung das Kernproblem, und so kann dieses Kernproblem gelöst werden.
Nachdem wir die beiden Endpunkte des Abhängigen Entstehens diskutiert haben, müssen wir als nächstes betrachten, wie Täuschung in Leiden umgesetzt wird. Diesen Mechanismus könnte man als die „zentrale Antriebskraft“ des Abhängigen Entstehens bezeichnen, denn er zeigt uns, wie Saṁsāra sich selbst erhält, d. h. wie die Täuschung den Prozess von Geburt und Tod potenziell endlos weiter unterhält. Die „zentrale Antriebskraft“ ist der Vorgang, durch den unsere Reaktion auf Gefühle zu Wiedergeburt führt. Um die Arbeitsweise dieser Antriebskraft zu verstehen, ist es notwendig, den durch diese Kräfte erzeugten Prozess zu verstehen, der die Faktoren von Gefühl (vedanā) bis zu Wiedergeburt (jāti) miteinander verbindet.
Wir beginnen mit den Gefühlen. Im Buddhismus bezieht sich das Wort „Gefühl“ nicht auf eine Emotion, sondern auf den angenehmen oder unangenehmen „Unterton“ einer bestimmten Erfahrung.2 Dass man Dinge als angenehm oder unangenehm erlebt, ist untrennbar mit der Erfahrung des Menschseins verbunden, oder genauer, grundlegend für jede Art von Dasein. Die Glieder des Abhängigen Entstehens, die dem Gefühl vorausgehen, zeigen uns, wie Gefühle aus dem Zusammenspiel körperlicher und geistiger Faktoren hervorgehen; das heißt, sobald wir einen Körper und einen Geist haben, haben wir notwendigerweise auch Gefühle. Wenn es so ist, dass wir die Welt als angenehm oder unangenehm erfahren, ist es auch so, dass wir Verlangen (taṇhā) in Bezug auf diese Erfahrungen haben. Weil wir kein Missvergnügen mögen, versuchen wir unangenehme Erfahrungen zu vermeiden und vorhandene unangenehme Erfahrungen zu beenden; und weil wir Vergnügen wünschen, begehren wir nach angenehmen Erfahrungen und wollen vorhandene angenehme Erfahrungen fortsetzen. Mit andern Worten, Verlangen oder Begehren ist unsere normale Reaktion auf die Erfahrung von Gefühlen.
Dies führt uns zum nächsten Glied. Sobald wir Wünsche haben, wollen wir sicherstellen, dass das Begehren auch befriedigt wird, denn unbefriedigtes Begehren ist unangenehm. Zu diesem Zweck greifen wir Dinge auf, ergreifen sie, und wir verfolgen bestimmte Strategien (upādāna). Wir machen eine Ausbildung, suchen uns Arbeit, gehen Beziehungen ein, kaufen ein Haus, haben Kinder, wir gehören einer Religion an und haben politische Ansichten. Nehmen wir die Religion: Warum, zum Beispiel, werden wir Buddhisten? Im Wesentlichen ist es eine Strategie, um unser Begehren nach Glück in der Welt und nach einer Abnahme des Leidens im Leben zu befriedigen. Warum haben wir ein Heim? Weil uns ein Heim eine Umgebung bietet, in der wir uns wohlfühlen können. Unser Haus ist der Ort, wo wir gewöhnlich unsere Mahlzeiten einnehmen, behaglich entspannen können, Unterhaltung genießen, und der Raum, den wir mit unserer Familie teilen. Es ist auch ein Ort der Sicherheit vor der Welt draußen. Ein Heim zu haben ist eine sehr wichtige Strategie zur Befriedigung unserer Wünsche, und deshalb haften Menschen an ihrem Heim so an. Eine andere wichtige Strategie ist, einen Lebenspartner zu finden. Auch hier haften wir oft an diesen Menschen an, da ein Lebenspartner uns ein Gefühl von Glück vermittelt. Aber unsere Strategien können auch von höherer Art sein. Als Buddhisten können wir uns der Meditation und einem mehr spirituell ausgerichteten Lebensstil widmen. In diesem Fall zielt unsere Strategie auf die Entwicklung von geistigem Glück. Natürlich müssen diese Strategien sich nicht gegenseitig ausschließen – die meisten Buddhisten sind auf eine Mischung aus Sinnlichem und Spirituellem aus.
Das führt uns zu dem Faktor Existenz (bhava). Sobald wir bestimmte Strategien übernehmen, etablieren wir ein bestimmtes Muster in unserem Leben; wir neigen dazu, auf eine bestimmte Art zu existieren. Weil sich die Strategien der meisten Menschen um die Befriedigung ihrer Sinneswünsche herum entwickeln, führen sie ein sinnliches Leben. Ihr Geist ist mit dem Bereich der Sinne beschäftigt; ihr Bewusstsein setzt sich in diesem Bereich fest. Jedoch ein Meditierender, der Zugang zu den freudigen Geisteszuständen im Samādhi hat, wird diese Erfahrungen möglicherweise höher schätzen als Sinnesvergnügen, und sein Geist neigt sich diesen Zuständen zu. Je tiefer die Meditation ist, umso mehr „existiert“ er im Bereich des höheren Geistes, und umso mehr setzt sich das Bewusstsein dort fest. Dieser Mechanismus zeigt uns auch, warum wir vor Ärger und anderen negativen Zuständen auf der Hut sein müssen. Je mehr dieser dunklen Zustände wir haben, desto mehr existieren wir in diesem Bereich, und umso mehr neigt unser Bewusstsein dazu, sich in dieser Dunkelheit festzusetzen. So wird unsere Existenz durch die Strategien geformt, die wir einsetzen, um Vergnügen zu finden und Schmerz zu vermeiden. Und wenn wir einmal auf eine bestimmte Art existieren, produzieren wir genau auf diese Art Kamma. Dabei setzen wir unser Bewusstsein entsprechend unser Existenzweise fest und lassen es dort erstarren.
Der nächste Faktor ist Geburt (jāti). Weil wir auf bestimmte Art existieren und unser Bewusstsein sich entsprechend festgesetzt hat, ist unser Bewusstsein bei unserem Tod bereits in einem bestimmten „Reich“. Wenn wir wiedergeboren werden, braucht unser Bewusstsein nirgendwo „hinzugehen“,3 da es sich bereits durch die Art, wie wir das vergangene Leben gelebt haben, in einem bestimmten „Bereich“ festgesetzt hat. Der Körper fällt weg, und das Bewusstsein fährt entsprechend seiner früheren Gewohnheiten fort. Dieses Fortfahren ist im Grunde das, was Wiedergeburt bedeutet. Wenn wir im Leben Sinnesvergnügen genossen und eine starke Neigung zu Sinnesvergnügen entwickelt haben, wird unser Bewusstsein, wenn der Körper mit dem Tod wegfällt, bei den Sinnesvergnügen festgesetzt sein. Wir werden dann wahrscheinlich in einem sinnlichen Bereich wiedergeboren. Wenn wir jedoch erfahrene Meditierende sind, wird unser Geist beim Tod wahrscheinlich im Frieden der Meditation festgesetzt sein. Wenn dann der Körper wegfällt, neigt der Geist einem friedvollen Bereich zu, und das ist unsere Wiedergeburt. So kommt Wiedergeburt in Übereinstimmung mit Kamma zustande, in Übereinstimmung damit, wie der Geist sich in dem Leben, das gerade zu Ende gegangen ist, festgesetzt hat.4
Wir können jetzt sehen, wie dieser ganze Vorgang abläuft. Weil wir begehren, setzen wir Strategien ein, um das Begehren zu befriedigen; aufgrund dieser Strategien neigen wir zu einer bestimmten Lebensweise; weil wir auf eine bestimmte Art leben, setzt sich unser Bewusstsein dabei fest, und wir werden entsprechend wiedergeboren; weil wir wiedergeboren sind, leiden wir, werden alt und sterben gemäß dieser neuen Daseinsweise. Diese Kraft lässt den Mechanismus des Saṁsāra fortbestehen.
Was ist dann die Beziehung zwischen der Täuschung – der Wurzel des ganzen Abhängigen Entstehens – und der zentralen Antriebskraft? Die Täuschung ist der Grund, warum wir als Reaktion auf angenehme und unangenehme Gefühle begehren. Wir begehren, weil wir denken, wir könnten Kontrolle über unsere Gefühle gewinnen, indem wir unsere Umwelt kontrollieren; wir denken, wir könnten irgendwie die Dinge dazu bringen, so zu sein, wie wir sie haben wollen. Dieser Eindruck, wir hätten von Natur aus Macht über unsere Gefühle, ist ein zentraler Aspekt der Täuschung. Es ist nicht schwer zu sehen, warum dieses Gefühl von Macht eine Illusion ist. Wir alle begegnen im Leben mehr Leiden und Schmerz – d. h. mehr unangenehmen Gefühlen, – als wir wollen. Warum? Weil wir keine Kontrolle über den Verlauf unseres Lebens haben. Das offensichtlichste Leiden, dem wir nicht entgehen können, ist Krankheit, Alter und Tod. Die erschreckendste Art von Leiden ist die Aussicht auf eine schlechte Wiedergeburt. Und letzten Endes entzieht sich auch das unserer Kontrolle. Der Grund, warum wir die Ereignisse nicht kontrollieren können, ist die Tatsache, dass da kein Selbst ist. Gefühle entstehen aufgrund von Ursachen und Bedingungen, nicht weil jemand dafür verantwortlich ist. Die Illusion eines Selbst gibt uns das illusorische Gefühl von Kontrolle und lässt uns angenehme Gefühle begehren. Wenn Begehren da ist, machen wir Wiedergeburten und in der Folge Leiden durch, wie oben erklärt. Auf diese Art ist die Täuschung die Ursache des Begehrens, das seinerseits die Wiedergeburt verursacht. Das heißt, auf diese Art führt die Täuschung ständig zu neuem Leiden.
Und wie wirkt sich die Beseitigung der Täuschung auf die zentrale Antriebskraft aus, so dass auch das Leiden beseitigt wird? Stell dir für einen Moment vor, du hättest keine Kontrolle über die Gefühle in deinem Körper und Geist. Wozu wäre Begehren gut, wenn du nicht wirklich die Gefühle haben kannst, die du möchtest? Wenn es keine Kontrolle über die Gefühle gibt, bist du besser dran, wenn du dich einfach „zurücklehnst“ und zuschaust, wie Gefühle entsprechend ihrer Natur kommen und gehen. Die Ironie liegt darin, dass genau das der Weg ist, um das geringstmögliche Leiden zu erfahren. Durch Begehren und den Versuch, zu kontrollieren, neigen wir dazu, uns noch mehr Leiden zu erschaffen. Und der Buddha sagt, wenn wir zu der Wahrheit des Nicht-Selbst durchdringen, dann sehen wir genau das: Wir erkennen, dass wir in der Tat keine Kontrolle über unsere Gefühle haben, dass Begehren zwecklos ist und eher zum Gegenteil führt.5 Wenn wir das sehen, wenn wir die Täuschung beseitigen, geben wir auch das Begehren auf.6 Wenn wir das Begehren fallenlassen, brauchen wir keine Strategien, um zu versuchen, es zu befriedigen. Wenn wir all unsere Strategien aufgeben, alles Ergreifen und Aufgreifen von Dingen, existieren wir nicht länger auf eine bestimmte Art,7 und unser Bewusstsein ist nicht länger irgendwo festgesetzt. Wenn das Bewusstsein nirgendwo festgesetzt ist, neigt es beim Tod, wenn der Körper wegfällt, zu keinem bestimmten Bereich, weder zum Bereich der Sinnesvergnügen noch zu einem verfeinerten geistigen Bereich noch zu irgendeinem anderen Bereich. Dann wird es keine Wiedergeburt mehr geben, und wenn es keine Wiedergeburt gibt, wird es kein Leiden, kein Alter und keinen Tod mehr geben. Auf diese Weise wird die Beseitigung der Täuschung in die Beseitigung des Leidens umgesetzt.
Für viele mag die Beendigung aller Wiedergeburten wie ein fernes Ziel erscheinen. Aber wir sollten uns klarmachen, dass, selbst wenn wir mit der Wiedergeburt nicht völlig Schluss machen können, jede Verminderung der Täuschung eine Verminderung künftigen Leidens bedeutet. Wenn wir die Täuschung verringern, indem wir die fünf Hindernisse verringern, wird auch das Begehren weniger. Wenn das Begehren verringert ist, werden wir friedvoller sein, und das wird zu einem zufriedeneren Leben hier und jetzt und ebenso zu einer besseren künftigen Wiedergeburt führen.
Dies ist in Kürze die Funktionsweise des Abhängigen Entstehens. Es zeigt uns, wie die Täuschung über den Weg der Wiedergeburt die Grundursache des Leidens ist. Es ist wichtig, zu erkennen, dass Wiedergeburt ein wesentlicher Bestandteil dieses Schemas ist. Weil Wiedergeburt die unmittelbare Ursache des Leidens ist, gäbe es kein Problem zu lösen, wenn es keine Wiedergeburt gäbe. Das Leiden, das uns in einem einzelnen Dasein als Mensch widerfährt, ist unbedeutend; es ist der potenziell endlose Kreislauf von Geburt und Tod, der das wirkliche Problem darstellt. Wenn wir einmal die wahre Natur des Leidens verstanden haben und die Tatsache erfassen, dass das Abhängige Entstehen erklärt, wie Leiden zustande kommt, werden wir klar sehen, dass Wiedergeburt für das Abhängige Entstehen wesentlich ist. Was wir dann tun müssen, ist, den Edlen Achtfachen Pfad zu üben, um die Täuschung aufzulösen. Indem wir die Täuschung auflösen, beenden wir jede künftige Wiedergeburt. Wenn es keine Wiedergeburt gibt, kommt das Leiden völlig zum Erliegen.
Dies ist leicht vereinfacht im Vergleich zur üblichen Darstellung in den Suttas. Laut den Suttas beendet man die Täuschung oder das Leiden nicht sofort mit dem Sehen des Dhamma oder dem Stromeintritt, es dauert aber höchstens noch sieben Leben.
Der Buddha sprach auch von neutralen Gefühlen, aber sie sollen bei der vorliegenden Diskussion unberücksichtigt bleiben.
Es „braucht“ nirgendwo hinzugehen, aber es kann in einen Mutterleib eingehen oder durch einen anderen physikalischen Vorgang wiedergeboren werden.
Dies ist eine sehr vereinfachte Darstellung, wie Wiedergeburt zustande kommt. In Wirklichkeit gibt es alle Arten von Komplikationen: Kamma aus einem früheren Leben, das im Augenblick des Todes reif wird; ein unglücklicher/glücklicher Tod, der unseren normalen Bewusstseinszustand verändert; Reue oder Begeisterung zum Zeitpunkt des Todes über gute oder schlechte Taten usw. Das oben Gesagte ist als eine allgemeine Erläuterung des Vorgangs zu verstehen, nicht als erschöpfende Darstellung aller Einzelheiten.
Auch hier ist die ganze Erläuterung aus den Suttas etwas komplizierter. Wenn man die Wahrheit des Nicht-Selbst sieht, wird man ein Stromeingetretener, wohingegen die völlige Auflösung der Täuschung erst stattfindet, wenn man ein Arahant wird. Im gegenwärtigen Kontext ist diese Unterscheidung jedoch nicht wichtig, da man, wenn man in den Strom eingetreten ist, innerhalb von höchstens sieben Lebenszeiten ein Arahant wird.
Wir „existieren nicht auf eine bestimmte Art“ heißt, dass wir nicht mehr zu irgendeiner Art von Existenz geneigt sind und von daher auch kein entsprechendes Kamma mehr produzieren.


