Über den Buddha Metteyya und Menschenopfer am heiligen Baum
Übersetzung von „On the Buddha Metteyya and human sacrifice on the sacred tree“ von Bhikkhu Sujato, 2017

DN 26 Cakkavatti ist ein reichhaltiges Sutta mit vielen außerordentlichen Merkmalen. Aber bei Weitem das bedeutsamste Merkmal des Textes ist die Einführung des Buddha Metteyya. Es wird zwar als ein allgemeiner Grundsatz der Buddhismuskunde angenommen, dass Buddhas von Zeit zu Zeit in der Vergangenheit erschienen sind und in Zukunft erscheinen werden, aber hier haben wir eine konkrete Geschichte mit Namen und vielen Einzelheiten.
Der Name Metteyya wird gewöhnlich mit Mettā in Verbindung gebracht, und dieser Buddha wird als der Buddha der Liebe angesehen. So niedlich das auch ist, es ist ein Irrtum. Das Wort metteyya bedeutet im Pali „Respekt vor der Mutter“, d. h. man behandelt seine Mutter mit der gebührenden Achtung. In diesem Sinn wird es in der Lehrrede wiederholt gebraucht, bevor es als der Name des Buddha erwähnt wird. Respekt vor den Eltern ist eine der Tugenden, die das Blühen der Menschheit ermöglichen, das im Erscheinen des Buddha gipfelt. Mehr noch: Er gehört zur letzten Gruppe von Eigenschaften, dem Gipfel der Tugenden, die zu einer vollkommenen Gesellschaft führen.
Nun, Müttern die gebührende Achtung erweisen ist eine sehr schöne Tugend, die nur mit Güte und Liebe in Verbindung gebracht wird. Und mit Menschenopfern, natürlich. Was? Sie sind nie für Ihre Mutter gestorben? Was für eine Art von Respekt ist das?
In Thailand werden junge Männer als ein Übergangsritus für kurze Zeit zum Mönch ordiniert. Es wurde gut dokumentiert, dass das Ordinationsritual in wichtigen Punkten ein Begräbnisritual nachahmt: Die Person, die ordiniert wird, stirbt und wird in ihr neues Leben wiedergeboren. Das ist natürlich ein tiefgründiger Bestandteil der spirituellen Reise. Aber wenn man die Mönche auf Zeit fragt, warum sie sich ordinieren lassen, antworten sie gewöhnlich: um Verdienst für meine Mutter zu schaffen.
Das sind die Echos und Überreste des Opfers, die sich in modernen Bräuchen erhalten. Ich komme von einem christlichen Hintergrund, daher bin ich es gewohnt, in meinem zentralen religiösen Ritual das wirkliche Fleisch eines toten Gottes zu essen, der an einen Pfahl genagelt wurde.
All das hat nichts besonders Geheimnisvolles. Leben und Tod sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Bei Mythologie und alten Ritualen geht es nicht darum, ein ethisches oder philosophisches Urteil über solche Dinge zu fällen, sondern darum, sie zu verkörpern und an ihnen teilzuhaben. Es geht darum, anzuerkennen, dass Geburt und Tod Hand in Hand gehen; der Akt, Leben zu schenken, ist bedeutungslos, wenn das Leben nicht auch genommen wird.
Sie denken wahrscheinlich: Was hat das mit dem Buddha Metteyya zu tun? Es ist sicher ein bisschen weit hergeholt, wenn man von einem Namen zu Menschenopfern kommt. Sie haben Recht, da ist wahrscheinlich nichts dran, ich bin mir sicher. Aber es kann auch nicht schaden, einen kleinen Blick darauf zu werfen, oder?
Ich werde nicht den ganzen Mythos im Einzelnen durchgehen. Das Meiste davon ist so ziemlich das, was man in einer idealisierten Darstellung einer Gesellschaft, die nach buddhistischen Werten aufgebaut ist, erwarten würde. Aber als jemand, der Mythen studiert, gewöhnt man sich daran, in den dunklen Ecken herumzustochern, man zieht an obskuren Fäden, bis sie sich entwirren. Und man entwickelt einen Sinn für das Erscheinen des Irrationalen, das unangenehm aus einer rationalen, ethischen Erzählung herausragt.
Bevor Metteyya erwähnt wird, erscheint ein König mit Namen Saṅkha. Als ein Rad-drehender Herrscher spiegelt seine Laufbahn die von so vielen anderen wieder. Aber es gibt eine Stelle, die auffallend ungewöhnlich ist. Das einzige einzigartige und bezeichnende Merkmal dieses Königs ist, dass er den yūpa des früheren Königs Panāda wieder aufrichtet. In den Übersetzungen von Rhys Davids und Walshe ist yūpa, dem Kommentar folgend, fälschlich als „Palast“ übersetzt. [Franke hat „Opferpfosten“, Neumann „Säule“; A.d.Ü.]
Aber das ist nicht das, was es bedeutet: Es bedeutet „Opferpfahl“. Es war ein verzierter Pfahl, zu dem die Objekte des Opfers hingeführt und wo sie festgebunden wurden. Ich habe das in einem früheren Beitrag diskutiert, und hier ist ein Bild eines yūpa:

Man beachte die Anwesenheit des Pferdes. Das ist in der Tat eine Darstellung des Pferdeopfers, und Sie werden auf der Rückseite dieser Münze das Bild der Königin erkennen in ihrer Rolle als Mutter des Reiches. Während des Rituals hat sie Geschlechtsverkehr, tatsächlichen oder simulierten, mit dem toten Pferd. Das ist nicht der bizarre Teil. Der bizarre Teil ist, dass das in aller Öffentlichkeit geschieht und sie dabei einen ritualisierten obszönen Wortwechsel mit den Opferpriestern unterhält, der den Akt in allen Einzelheiten beschreibt.
Gut, Saṅkha richtet also den Opferpfahl des Königs Panāda wieder auf. Warum er das tut, wird nicht gesagt. Panāda wird in Thag 2.22 als König der Vorzeit erwähnt, somit war sein Pfahl wirklich alt. Das Bemerkenswerte ist aber, dass es sich buchstäblich um eine Auferstehung alter Riten des Königtums handelt. Obwohl in dem Sutta das Pferdeopfer nicht erwähnt wird, ist die Beschreibung des Rad-drehenden Herrschers eindeutig der brahmanischen Vorlage von Königtum nachempfunden, dessen höchstes Ritual das Pferdeopfer war.
Ich habe erwähnt, dass der Kommentar sagt, yūpa sei ein Palast. Das ist nun ein Fehler – die Beschreibung in den Strophen in Thag 2.22 weist eindeutig auf einen Opferpfahl hin –, aber ein aufschlussreicher. Eins der Schlüsselmerkmale eines Mythos ist, dass er wieder und wieder erzählt wird, bis die Erzähler selbst die Bedeutung nicht mehr verstehen. Ohne Kontext und in Furcht vor dem Irrationalen erfinden sie neue Zusammenhänge und Ereignisse und geben einer Geschichte mit wahrhaft düsteren und stinkenden Wurzeln einen rationalisierenden und ethisch sauberen Rahmen.
Doch obwohl die Exegeten versuchen, den Text als einen völlig rationalen zu präsentieren, der eine „Moral“ veranschaulicht, können sie doch nicht verhindern, dass das Irrationale, das der Geschichte anhängt, hervorbricht, wenn man es am wenigsten erwartet.
Die Strophen über den König Panāda kommen nicht nur im Theragāthā vor, sondern auch in den Jātakas, in Ja 264, wo die englische Fassung yūpa wieder fälschlich als „Palast“ übersetzt [und ebenso Dutoit in seiner deutschen Übersetzung; A.d.Ü.]. Aber der Abgrund reicht noch tiefer, denn dieses Jātaka erzählt hauptsächlich die Ereignisse aus den Tagen des Buddha und verweist den Leser für die Geschichte aus der Vergangenheit auf Ja 489 Suruci. Das ist eine ziemlich lange Geschichte, und ich will hier nicht ins Detail gehen. Aber es ist ein Fruchtbarkeitsmythos über eine Königin, die kinderlos ist. Schließlich empfängt sie durch göttliches Eingreifen; ihr Sohn ist buchstäblich der Sohn Gottes. Dieser Junge wird, wenn er heranwächst, König Panāda werden.
Das Problem mit Panāda ist, dass er nicht lustig ist. Die große Zeremonie für seine Weihe zieht sich so lange hin, dass die Leute sich beklagen. Aber sie kann nicht zum Abschluss kommen, bevor der Prinz lächelt. König und Königin ziehen alle Register, stellen alle Arten von Unterhaltungskünstlern an, um ihn zum Lächeln zu bringen, doch vergebens. Die ganze Passage ist außergewöhnlich, doch ich möchte hier nur ein Detail erwähnen. Hier ist die Stelle, leicht modifiziert nach der alten Übersetzung [hier die deutsche Übersetzung Dutoits; A.d.Ü.]:
Darauf versprachen zwei geschickte Gaukler, Bhandukanna und Pandukanna mit Namen, sie würden den König zum Lachen bringen. Zuerst machte Bhandukanna am Tore des königlichen Palastes einen großen Mangobaum mit Namen Atula (= „unvergleichlich“), warf ein Knäuel Schnur hinauf, dass es an einem Aste hängen blieb, und erkletterte an der Schnur den Atula-Mangobaum. Der Atula-Mangobaum war aber auch der Vessavana-Mangobaum. Daher ergriffen ihn die Diener des Vessavana, zerhieben ihn in große und kleine Stücke und warfen ihn herunter. Die übrigen Gaukler legten diese Stücke wieder zusammen und besprengten sie. Darauf kam er wieder zum Leben, oben und unten mit einem Blumengewande bekleidet, und trieb sein Spiel weiter. Aber auch als dies Mahapanada sah, lachte er nicht darüber.
Ich weiß nicht, ob es Sie zum Lachen bringen würde, wenn ein Mensch vor Ihren Augen zerstückelt würde, aber he! – vielleicht hatten sie damals einen anderen Sinn für Humor. Die wichtige Rolle, die der Humor hier spielt, ist faszinierend. Er steht, wieder einmal, für das Irrationale, das Sichausliefern an niedere Impulse. Als der Prinz im weiteren Verlauf schließlich belustigt ist, schafft er es nur bis zu einem leichten Lächeln, während alle anderen bar jeder Achtsamkeit buchstäblich hysterisch über den Boden rollen.
Aber hier haben wir, kaum getarnt, alle Elemente des klassischen Frazer'schen Baumopfer-Zyklus. Der Baum ist ausdrücklich göttlicher Natur. Der Mango ist ein klassisches indisches Fruchtbarkeitssymbol, und er ist an anderer Stelle in den Jātakas mit dem gleichen mythischen Zyklus assoziiert. Der Narr ist die Figur des Irrationalen, das reduzierte und komische Opfer des Rituals. Er ist ein verwässerter Ersatz für den König oder den Gott, der das wahre Opfer ist. Aber die Opferung wird nicht ausgeführt, da er nach seinem Tod auf dem Baum wieder aufersteht; somit ist der Mythos bereits mehrere Ebenen von seinen grausigen Ursprüngen entfernt.
König Vessavaṇa ist ein Yakkha, das heißt ein Naturgeist, der im alten Indien verehrt wurde. Wissen Sie, wer noch ein Yakkha ist? Panāda. Er wird in DN 20 und DN 32 erwähnt. Es werden nicht viele Einzelheiten angegeben, aber in beiden Fällen ist er locker mit Vessavaṇa verbunden. Jedenfalls sind aus mythischer Sicht der König Panāda und die Gottheit Panāda das gleiche Wesen. In den alten Tagen, oder mancherorts auch in nicht so alten Tagen, waren Könige und Götter mehr oder weniger die gleiche Sache. Aller Wahrscheinlichkeit nach gab es einen alten Kult mit Menschenopfern für diese Gottheit, die ursprünglich auf einen historischen König zurückgeht oder auch nicht, und was wir hier vorfinden, sind ein paar zerbrochene Relikte, die schroff aus der Erde herausragen wie Fossilien in der Wüste.
So beruht das Ritual der Thronbesteigung des Königs Panāda auf der alten Methode, durch Menschenopfer die Macht sicherzustellen. Der Mangobaum ist nur eine symbolische Variante des Opferpfahls; oder vielmehr der Pfahl als ein künstliches Gebilde ist ein Ersatz für den älteren Gebrauch eines Baums, an den das menschliche oder tierische Opfer gehängt oder angebunden wurde.
Das ist der Pfahl, der vom König Saṅkha wieder aufgerichtet wird. Nachdem er das vollendet hat, gibt er ihn her, zieht unter dem Buddha Metteyya fort und erwacht.
Und das, Freunde, ist der Grund, warum Mythologie so unglaublich cool ist!

