Dhammaregen-Newsletter Dezember 2023
Neues rund um Dhammaregen und frühe buddhistische Texte
In diesem Newsletter begleiten wir den Laien Soṇa auf seinem steinigen Weg zur Ordination und hören dem Mönch Tālapuṭa bei Selbstgesprächen mit seinem Geist zu. Außerdem werfen wir einen Blick in die finstere Welt der Gandhabbas und zünden schließlich das erste Adventslicht an.
Mönch werden mit Hindernissen
Soṇa mit den gespitzten Ohren lebt aus der Sicht der frühen buddhistischen Texte in einem eher abgelegenen Teil Indiens, Avanti, ein ganzes Stück südwestlich vom Hauptwanderungsgebiet des Buddha gelegen. Es wird als eins der sechzehn „großen Länder“ aufgeführt, wurde aber vom Buddha selbst nicht besucht. Allerdings verbrachte der Mönch Mahākaccāna große Teile seines Mönchslebens dort, und über ihn lernt Soṇa den Dhamma kennen.

Soṇa äußert mehrfach den Wunsch, ordiniert zu werden, doch sein Lehrer lehnt zunächst ab. Schließlich stimmt er zu und ordiniert ihn zum Novizen. Bis zur vollen Ordination gibt es aber noch weitere Hindernisse:
Zu dieser Zeit gab es in Avanti und der Gegend im Süden wenige Mönche. Es dauerte drei Jahre, bis der Ehrwürdige Mahākaccāna mit viel Mühe und unter großen Schwierigkeiten von hier und da einen Saṅgha von zehn Mönchen versammeln und dem Ehrwürdigen Soṇa die volle Ordination erteilen konnte.
Zehn Mönche hatte der Buddha für eine Ordination vorgeschrieben, und in der mittleren Gangesebene, wo der Buddhismus anfangs zu Hause war, war das auch kein Problem – anders aber in abgelegenen Gegenden wie Avanti.
Und so kommt es, dass Soṇas Geschichte nicht nur in den Suttas, sondern auch im Vinaya erzählt wird, denn sie wurde zum Anlass, dass der Buddha die Regeln für solche Gegenden abmilderte.
Nachdem er ordiniert ist, hat Soṇa den Wunsch, den Buddha persönlich zu treffen, und diesmal stimmt sein Lehrer Mahākaccāna ohne Zögern zu. Im Sutta gibt er ihm Grüße an den Meister mit, in der Vinaya-Version der Geschichte fügt er noch die Bitte um gewisse Regelanpassungen hinzu, unter anderem eben die Vorschriften für die Ordination.
Als Soṇa schließlich in Sāvatthī ankommt und den Buddha trifft, bittet dieser ihn, einen Dhammatext aufzusagen, und Soṇa rezitiert gleich ein ganzes Kapitel. Der Buddha ist mit seinem Vortrag äußerst zufrieden:
„Gut, gut, Mönch! Du hast die sechzehn Lehrreden des Achterkapitels richtig gelernt, du hast den Geist richtig gebraucht und sie dir richtig gemerkt. Du bist ein guter Redner und hast eine schöne Stimme. Deine Worte sind geschliffen, klar und deutlich und bringen die Bedeutung zum Ausdruck.“
In AN 1.206 preist der Buddha ihn dann:
Der vorderste unter meinen Mönchsschülern, die gute Redner sind, ist Soṇa mit den gespitzten Ohren.
Und jetzt verstehen wir auch, woher Soṇa seinen Namen hat: Weil er seine Ohren spitzt und richtig zuhört, hat er seinen Text gut gelernt und kann ihn dann hervorragend vortragen.
Lesen und hören Sie die ganze Lehrrede Ud 5.6, und spitzen Sie dabei die Ohren! 😉
Und dann hören Sie noch Thag 5.11, in dem Soṇa mit seinen eigenen Worten seine Begegnung mit dem Buddha beschreibt.
Wie der Geist mit uns spielt
In Thag 19.1 fasst der Ehrwürdige Tālapuṭa seine inneren Kämpfe in die Form eines Zwiegesprächs mit seinem eigenen Geist. Dieser, der ihm zunächst das Mönchsleben mit den schönsten Vorstellungen schmackhaft zu machen suchte, schlägt, als Tālapuṭa dann tatsächlich Mönch ist, plötzlich ganz andere Töne an.
Vielleicht kennen wir so etwas Ähnliches auch aus unserer Erfahrung … der Geist kann unglaublich raffiniert dabei sein, am Ende doch lieber am Altgewohnten festzuhalten!
Vor seiner Ordination war Tālapuṭa ein Schauspieler, wie SN 42.2 berichtet. Vielleicht ist so ein Rollenspiel für ihn daher etwas Natürliches.
Das Bemerkenswerte an diesem Theragāthā ist auch, dass es durchgängig ein zusammenhängendes Thema behandelt. Das sehen wir überall in den kürzeren Theragāthā, aber die längeren setzen sich gewöhnlich aus kleineren Teilstücken zusammen, die sich oft auf verschiedene Episoden im Leben des betreffenden Mönchs beziehen. Dieses bildet hier eine Ausnahme, indem es einen einheitlichen Text darstellt.
Die dunklen mythologischen Abgründe des Gandhabba
Der Buddha ist mit seiner Lehre in ein kulturelles und religiöses Umfeld eingebettet, von dem man ihn nicht trennen und losgelöst betrachten kann. In seinem Essay zu den vier Phasen im Studium des frühen Buddhismus betont Bhikkhu Sujato diese Tatsache im Zusammenhang mit der vierten, derzeit recht aktiven „dialektischen“ Phase, die den Blick auf die Interaktionen richtet, die der Buddha mit seinen Zeitgenossen hatte. Wie er sagt:
Um zu verstehen, was der Buddha meinte, müssen wir verstehen, zu wem er sprach, wie diese Menschen dachten und welche Werte sie hatten.
Und weiter, als Zusammenfassung des Essays:
Für mich sieht es so aus, als seien die vier Phasen eine Art Wachstum. Die archäologische Phase baute die DNA des frühen Buddhismus zusammen. Die harmonisierende Bewegung nahm diese und züchtete die Organe, die ein Körper braucht. Mit der vergleichenden Phase hatten wir endlich einen ganzen und vollständigen Körper. Und mit der dialektischen Phase wacht dieser Körper auf, öffnet die Augen, um die Sterne zu sehen, fühlt den Boden unter seinen Füßen und streckt die Hand aus, um etwas außerhalb seiner selbst zu berühren.
Im Licht dieser Entwicklung sollte man auch den folgenden Zusammenhang sehen, den Bhikkhu Sujato in einem neuen Essay beleuchtet:
In MN 38:26.1 gibt es eine Stelle, in der über die Empfängnis eines Embryo gesagt wird, damit sie zustande komme, müsse der gandhabba bereit sein. Das Wort gandhabba (Sanskrit gandharva) stammt aus der gleichen Wurzel wie das griechische Wort Zentaur (kantauros) und bezeichnet normalerweise ein mächtiges mythisches Wesen. Warum wird dieser Ausdruck im Zusammenhang mit einer Empfängnis verwendet?
Dieser Frage ist der Autor nachgegangen und präsentiert seine Funde in seinem Essay „Über den Gandhabba und männliche Angst“, in dem es nur so von dunklen mythologischen Zusammenhängen wimmelt.
Wozu ist so etwas wichtig? – kann man sich fragen. Für das Verständnis der Lehre spielt die Wortwahl hier keine besondere Rolle. Dennoch gibt es dafür einen Grund.
Wenn Reste alter Mythen sich in einem Text wiederfinden, besteht oft ein Bezug zu unbewussten irrationalen Vorstellungen, denen in diesen Mythen Ausdruck verliehen wurde und die damit bewältigt oder in bestimmte Bahnen gelenkt werden sollten. Diese Vorstellungen, so alt sie sind, halten sich in der Gesellschaft oft aller Aufklärung zum Trotz hartnäckig bis in die Gegenwart. Sie zu ignorieren, kann ihnen sogar noch mehr Macht verleihen, da sie im Bereich des Unbewussten bleiben und sozusagen im „Untergrund“ ihr Unwesen treiben. Die mythologischen Ursprünge der Rolle des gandhabba bei der Empfängnis aufzuklären, kann dazu beitragen, in dieses Dunkel des Unbewussten ein wenig Licht zu bringen.
In diesem Sinn wünsche ich eine interessante Lektüre.
Und da wir beim Thema Licht sind:
Ich wünsche allen Menschen eine friedliche und erhellende Adventszeit!🕯️
Wessen schlechte Tat vom Guten überlagert wird, erleuchtet die Welt wie der Mond, der durch die Wolken bricht. (Dhp 173)
Neu auf Dhammaregen
Seit dem letzten Newsletter wurden folgende Essays hinzugefügt:
Über den Gandhabba und männliche Angst – zum Essay
Seit dem letzten Newsletter wurden folgende Suttas hinzugefügt:
MN 22, MN 38
Dhp 21-89
Thag 17.1-3, Thag 19.1; damit ist die Theragāthā-Sammlung vollständig.
Übersicht über alle Übersetzungen
Sutta-Erkundungen
Die Sutta-Erkundungen sind ein monatliches Online-Format zum Studium der Suttas in einer Gruppe, das sich an die lectio divina aus der alten christlichen Klostertradition anlehnt. Das ermöglicht ein eher meditatives Herangehen an die Suttas. Die Sutta-Erkundungen finden jeden ersten Freitag im Monat statt.
Nächste Termine: 1. Dezember 2023, 5. Januar und 2. Februar 2024, jeweils 18:30 – 20:00 h MEZ.
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