Dhammaregen-Newsletter November 2023
Neues rund um Dhammaregen und frühe buddhistische Texte
Der heutige Newsletter begleitet einen General auf seinem Weg vom Jaina-Anhänger zu einem Schüler des Buddha und hört einem Mönch bei seinem Loblied auf die Sittlichkeit zu. Und er analysiert ein paar philosophische Feinheiten.
Persönlichkeitsglaube oder Substanzialismus?
Fangen wir mit Letzterem an.
Bhikkhu Sujato hat im Zuge seiner Recherchen über den vorbuddhistischen Ursprung verschiedener Ausdrücke, die wir in den Suttas finden, diesmal das Wort sakkāya in den Blick genommen, auch in der Verbindung sakkāyadiṭṭhi, was von mir bisher mit „Glaube an eine Persönlichkeit“ übersetzt wurde.
Diesmal wurde er allerdings nicht in den vedischen / brahmanischen Texten fündig, sondern bei den nicht-brahmanischen Asketen, deren Ansichten wir z. B. in DN 2 finden. Für etliche unter ihnen baute sich die Wirklichkeit aus einer Art zugrunde liegender „Substanz“ auf, worauf das Wort sakkāya Bezug nimmt. Darin eingeschlossen waren neben der Materie auch (aus unserer Sicht) nicht-materielle Dinge wie die „Seele“, und sogar die Befreiung, das höchste spirituelle Ziel.
Vor allem von letzterem Punkt wollte der Buddha sich distanzieren und hat daher alle Ansichten, die auf solchen „substanzialistischen“ Vorstellungen beruhen, zurückgewiesen.
Lesen Sie Bhikkhu Sujatos Essay zum Thema.
Der General Sīha
Der General Sīha, ein angesehener Bürger der Stadt Vesālī und Anhänger der Jainas, nimmt einen wirklich langen Anlauf, um den Buddha zu besuchen. Zweimal ist er ergriffen, als er hört, wie andere sich über den Buddha unterhalten, und möchte ihn treffen, und zweimal lässt er sich vom Anführer der Jainas von einem Besuch abbringen:
„Aber Sīha, du glaubst an die Doktrin des Tuns. Warum solltest du den Asketen Gotama besuchen gehen, der eine Doktrin des Nicht-Tuns lehrt? Denn der Asket Gotama glaubt an eine Doktrin des Nicht-Tuns, er lehrt das Nicht-Tun, und so schult er seine Schüler.“ Und Sīhas Entschlossenheit, den Buddha zu besuchen, klang ab.
Doch beim dritten Mal setzt er sich über die Warnung seines bisherigen Lehrers hinweg. Und als Erstes fragt er den Buddha, ob es wahr sei, dass er, wie behauptet wird, eine Doktrin des Nicht-Tuns lehre. Dieses Vorgehen sehen wir häufig auch beim Buddha selbst: Bevor er ein Urteil fällt, vergewissert er sich bei der betroffenen Person selbst, wie die Sache aus deren Perspektive aussieht.
Der Buddha antwortet, indem er erklärt, unter welchem Blickwinkel diese Aussage tatsächlich zutrifft. Und er fährt damit fort, dass es ebenso andere Blickwinkel gibt, unter denen andere Aussagen zutreffen, ja sogar das genaue Gegenteil.
Das Sutta erinnert an das vorausgehende, AN 8.11, das bereits in einem früheren Newsletter besprochen wurde. Allerdings fehlt der dortige leicht sarkastische Unterton hier völlig. Der Buddha spricht mit Sīha vielmehr in einem sachlichen Ton, und die Punkte, die er anspricht, haben einen Bezug zu Lehren der Jainas, die ihm ja vertraut sein müssen, wie etwa „Ekel“ oder „inbrünstige Bußübung“.
Sīha findet die Darstellung des Buddha überzeugend und nimmt Zuflucht zu ihm, zur Lehre und zum Saṅgha. Aber auf die nun folgende Reaktion des Buddha ist er nicht gefasst:
„Sīha, du solltest sorgfältig abwägen, bevor du handelst. Es ist gut, wenn namhafte Persönlichkeiten wie du sorgfältig abwägen, bevor sie handeln.“
Das heißt, anstatt darüber zu triumphieren, dass ein prominenter Anhänger einer anderen Konfession zu seiner Lehre übertritt, mahnt der Buddha zur Zurückhaltung! Sīha bemerkt, dass wohl kein anderer spiritueller Lehrer so etwas täte, und ist umso mehr von der Integrität des Buddha überzeugt.
Und es lohnt sich für ihn: Denn in der nun folgenden Unterweisung erlangt er den Stromeintritt.
Lesen und hören Sie das ganze Sutta AN 8.12.
Das Erste, was der General Sīha nach seiner Bekehrung tut, ist, den Buddha und seinen Saṅgha zu einer Mahlzeit einzuladen. Aus den beiden anderen Suttas, in denen er uns noch begegnet, erfahren wir, dass das Geben und Spenden ihm generell am Herzen liegt. Bei beiden Gelegenheiten fragt er den Buddha, was denn die Früchte des Gebens seien, und der Buddha erklärt es zweimal mit je einem etwas anderen Schwerpunkt.
Ein interessanter Punkt, der in beiden Suttas zur Sprache kommt, ist, dass es Früchte des Gebens gibt, die in diesem Leben ersichtlich sind, und solche, die sich auf künftige Leben beziehen. Sīha drückt es in AN 5.34 folgendermaßen aus:
„Wenn es um diese vier Früchte des Gebens geht, die in diesem Leben ersichtlich sind, so muss ich mich nicht auf mein Vertrauen zum Buddha verlassen, denn ich kenne sie auch. Doch wenn der Buddha sagt: ‚Wenn der Körper eines Menschen, der gibt und spendet, auseinanderbricht, nach dem Tod, wird er an einem guten Ort wiedergeboren, in einer himmlischen Welt‘, dann weiß ich das nicht. Ich muss mich auf mein Vertrauen zum Buddha verlassen.“
Während AN 5.34 Früchte des Gebens aufzählt, die sich im weltlichen Miteinander ausdrücken, liegt in AN 7.57 der Schwerpunkt auf solchen Dingen, die das Verhältnis zu spirituellen Lehrern betreffen. Ansonsten sind beide Suttas ähnlich.
Eine Ode an die Sittlichkeit
Der Verfasser des folgenden Gedichts Thag 12.1, der Mönch Sīlava („der Sittliche“), sieht offenbar in der Sittlichkeit eine ähnliche Kraft, wie sie in den Gesprächen des Buddha mit Sīha für das Geben geschildert wurde. Seine Strophen bringen hoffentlich etwas Licht in die bevorstehenden dunklen Novembertage!
Man soll sich nur in Sittlichkeit schulen, denn in dieser Welt macht sittliches Verhalten, wenn es entwickelt und gut geschult wird, allen Erfolg möglich. Wenn er drei Arten von Glück wünscht – Lob, Wohlstand und himmlische Freuden nach dem Tod –, trägt der Weise für seine Sittlichkeit Sorge. Die Sittlichen haben viele Freunde, weil sie sich selbst zügeln. Doch wer unmoralisch ist, von schlechtem Verhalten, stößt seine Freunde weg. Ein unmoralischer Mensch hat schlechten Ruf und Leumund. Ein Mensch, dessen Verhalten stets sittlich ist, genießt guten Ruf, Ruhm und Lob. Sittliches Verhalten ist Ausgangspunkt und Grundlage, die Mutter, die alle guten Dinge anführt: Darum sollst du deine Sittlichkeit läutern. Sittlichkeit verleiht eine Grenze und eine Zügelung, eine Freude für den Geist; sie ist die Furt, über die alle Buddhas hinübergelangen: Darum sollst du deine Sittlichkeit läutern. Sittlichkeit ist eine unvergleichliche Kraft; Sittlichkeit ist die höchste Waffe; Sittlichkeit ist der beste Schmuck; Sittlichkeit ist eine wunderbare Rüstung. Sittlichkeit ist eine gewaltige Brücke; Sittlichkeit ist ein unübertrefflicher Duft; Sittlichkeit ist das beste Parfüm, das von Ort zu Ort zieht. Sittlichkeit ist der beste Vorrat; Sittlichkeit ist der höchste Reiseproviant; Sittlichkeit ist das beste Fahrzeug, das dich von Ort zu Ort bringt. In diesem Leben wird er getadelt; nachdem er gegangen ist, grämt er sich in einem niederen Bereich; ein Tor ist überall unglücklich, weil seine Sittlichkeit nicht stetig ist. In diesem Leben wird er gepriesen; nachdem er gegangen ist, erfreut er sich im Himmel; ein Weiser ist überall glücklich, weil seine Sittlichkeit stetig ist. Sittliches Verhalten ist in diesem Leben das beste, aber einer mit Weisheit ist der Höchste. Jemand, der Tugend und auch Weisheit besitzt, ist siegreich unter Menschen und Göttern. 🌟
Neu auf Dhammaregen
Seit dem letzten Newsletter wurden folgende Essays hinzugefügt:
Über die, die den letzten Löffel voll auflesen – zum Essay
Über sakkāya, Identität und substanzielle Wirklichkeit – zum Essay
Seit dem letzten Newsletter wurden folgende Suttas hinzugefügt:
Thag 6.7-14, Thag 7.1-5, Thag 8.1-3, Thag 9.1, Thag 10.1-7, Thag 11.1, Thag 12.1-2, Thag 13.1, Thag 14.2, Thag 16.1-10
Übersicht über alle Übersetzungen
Sutta-Erkundungen
Die Sutta-Erkundungen sind ein monatliches Online-Format zum Studium der Suttas in einer Gruppe, das sich an die lectio divina aus der alten christlichen Klostertradition anlehnt. Das ermöglicht ein eher meditatives Herangehen an die Suttas. Die Sutta-Erkundungen finden jeden ersten Freitag im Monat statt.
Nächste Termine: 3. November und 1. Dezember 2023 und 5. Januar 2024, jeweils 18:30 – 20:00 h MEZ.
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